Digitale Restaurierung der Kupferstiche des
Heidelberger Globus von 1751

Nachdem die Originalkugel in dem restaurierten Gestell auch eine von den Spuren der Zeit gereinigte Karte erhalten sollte, stellte sich die Frage nach der technischen Realisierung: Es war nicht mehr möglich, die vorhandenen originalen Kupferstiche, die im Tresor der Universitätsbibliothek aufbewahrt worden waren, wieder aufzukleben. Bei Kontakt mit wasserlöslichem Leim wäre das Papier weitestgehend zerfallen.

Zu diesem Zeitpunkt wurde das Projekt an das IWR, das Interdisziplinäre Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg herangetragen. Nach anfänglichen Überlegungen hinsichtlich photogrammetrischer Erfassung eines besser erhaltenen Exemplars dieses Globus aus derselben Werkstatt, wurde relativ bald in Übereinkunft mit dem Restaurator der Universitätsbibliothek die Entscheidung getroffen, eine Restaurierung des Heidelberger Globus aus den vorhandenen Originalen zu versuchen, um seine wechselvolle Geschichte zu belegen. Beispielsweise sind Einschusslöcher zu bemerken, von denen man nicht weiß, durch welche Soldaten einer Besatzung Heidelbergs sie entstanden sind. Außerdem finden sich auf den Karten Eintragungen und Ergänzungen späterer Entdeckerfahrten, die das Physikalische Institut der Universität Heidelberg vorgenommen hat, als dort noch mit diesem Globus gearbeitet wurde.

Das Verfahren bei der Restaurierung sah nun so aus, dass zunächst die Originale, d. h. zwölf Segmente der Nordhalbkugel und zwei halbkreisförmige für die Polkappe, ebenso viele für die Südhalbkugel und acht Teile für den Horizontring des Holzgestells am IWR hochauflösend eingescannt wurden. Damit lagen die digitalen Datensätze vor, die als Ausgangsbasis für das Filtern der Kupferstichlinien aus den Strukturen der über Jahrhunderte eingefressenen Staubschichten und dem Krakeleemuster des alten Firnisses dienen sollten.

Wie kann man sich als Laie solche Filteralgorithmen vorstellen? Wenn der Lesestrahl eines Scanners als Resultat jedem Bildpunkt eine Intensität zuordnet, so kann ein im Computer implementierter Algorithmus die Intensitäten der Nachbarpunkte in die Entscheidung einbeziehen, ob dieser Punkt zu Recht so dunkel ist, also zu einer erhaltenswerten Linie des Kupferstichs gehört, oder ob es sich um ein Staubkorn handelt. Man entscheidet anhand des Intensitäts- oder Grauwertgradienten, also anhand der Steigung zum Grauwert des Nachbarpunktes. Sogenannte Diffusionsfilter glätten die Unterschiede einfach aus. Das führt schließlich zu fusselfreien, aber sehr verschwommenen Bildern, und ohne Abbruchkriterium zu einem auf allen Bildpunkten gleichen, mittleren Grauwert. Intelligenter sind die nichtlinearen, inhomogenen Diffusionsfilter, die die geringen Unterschiede glätten und die großen sogar verstärken. Solche Verfahren sind natürlich in kommerziellen Programmen längst verwirklicht, haben auch so nutzerfreundliche Namen wie "Staub und Kratzer entfernen" und stellen Eingabefenster bereit, in die man den Radius der zu berücksichtigenden Nachbarschaft und den Schwellenwert der zu glättenden Unterschiede eintippen kann. Eine geschickte Kombination aus erneuter Spreizung des Grauwerthistogramms und wiederholter Anwendung dieses Filters mit abschließender Tontrennung in Schwarz und Weiß erzielt schon ein recht gutes Ergebnis. Es treten klare Linien zutage, die zu 90 Prozent wohl auch den Linien des Kupferstichs entsprechen. Die übrigen zehn Prozent unerwünschter Linien sind ebenfalls durch diesen Filter verstärkter und schließlich geschwärzter Dreck.

Am IWR werden solche Filteralgorithmen auf der Basis mathematischer Theorien weiterentwickelt, im Computer implementiert, und sie können nun differenzierter an die speziellen Strukturen der Globuskarten angepasst werden. Ein sogenannter Strukturtensor berücksichtigt beispielsweise orientierungsabhängige Grauwertschwankungen. Damit werden die linienhafte Gravur einer Schrift, die Schraffur der Küste oder eines Gebirges sehr viel präziser von unerwünschten Verunreinigungen unterschieden. Nach anfänglichen Versuchen mit kommerziellen Filtern konnte nun ein deutlich besseres Resultat erzielt werden, das eine praktische Anwendung einer zuvor nur an akademischen Beispielen getesteten Diplomarbeit in der Mathematik darstellt.

Schließlich wurde dieses Ergebnis auf ein handgeschöpftes Papier mit dem Laserdrucker am IWR ausgegeben und vom Restaurator auf eine eigens angefertigte Probekugel geklebt. Daraufhin mussten die Abmessungen der zu druckenden Datensätze an die Dehnungseigenschaften des Papiers beim wässrigen Leimen angepasst, erneut ausgeben und wieder geklebt werden. Erst jetzt waren die 36 einzelnen Dateien hinreichend aufbereitet, um von einer Nürnberger Firma in digitalem Druckverfahren licht- und alterungsbeständig, wasserfest und abriebfrei gedruckt zu werden.

Literatur

Jens Dannehl: Ein Globus für den Kurfürsten Karl-Theodor, erschienen in: Ordnung und System, Wiley-VCH, 1998

Alexander Dressel: Die nichtlineare Diffusion in der Bildsegmentierung, Diplomarbeit, Fakultät für Mathematik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1999

Jozef Kacur, Karol Mikula: Solution of nonlinear diffusion appearing in image smoothing and edge detection, Appl. Num. Math., Vol. 17, 47-59, 1995

Joachim Weickert: Anisotropic Diffusion in Image Processing, B. G. Teubner Stuttgart, 1998